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Web3 das Ende der Plattformökonomie?

  • Writer: Jürgen Rösch
    Jürgen Rösch
  • Nov 21, 2021
  • 5 min read

Updated: Dec 28, 2021

Vieles spricht dafür, dass das Web3 die Plattformökonomie verändern wird. Doch wo genau liegt der Unterschied? Eine kleine Case-Study zeigt, wo sich Web2 und Web3 unterscheiden und wo sie sich gleichen.



Viel wird gerade über Web3 geredet, diskutiert und geschrieben, viel wird über die neuen Möglichkeiten gesprochen und viel wird auch über die Auswirkungen auf die jetzige Ökonomie des Netzes diskutiert. Die Token-Economy gilt als nächste Stufe in der Entwicklung des Webs und damit als Nachfolger der Platform-Economy (z.B. Shermin Voshmgir)


Während das Web1, die Anfänge des Internets, vor allem die Art und Weise, wie wir mit Informationen umgehen, wie wir Informationen teilen und zugänglich machen revolutionierte, geht es beim Web2 um Interaktionen: Die Plattformökonomie fördert, managt und orchestriert Interaktionen zwischen verschiedenen Nutzern, Nutzergruppen, zwischen Maschinen, zwischen Menschen und Maschinen. Das Versprechen von Web3 ist nun, aufbauend auf das Web und Web2, „Ownerhship“ zu revolutionieren: Nutzer besitzen ihre eigenen Daten, Transaktionen werden sicher und der Austausch von Informationen und Werten kann dezentralisiert abgewickelt werden.


Web3: die Dezentralisierung der Ökonomie

Das Versprechen von Web3 ist also eine Dezentralisierung der Interaktionen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die digitalen Plattformen, die heute die Interaktionen zentralisieren und verwalten, Macht verlieren werden. Für den typischen Nutzer dürfte sich aber erstmal wenig ändern - zumindest zunächst. Dezentralisierung wird jedoch häufig so beschrieben, dass Nutzer zu Serviceanbietern werden und Serviceanbietern zu Nutzern. Ähnliches kann man Strommarkt beobachten, wenn jeder private Verbraucher mit einer Photovoltaikanlage gleichzeitig auch Produzent sein kann. Die Macht der Serviceanbieter nimmt dadurch ab, die Grenzen zwischen Serviceanbieter und Verbrauch verschwimmen (z.B. Gavin Wood).


Was bedeutet das für die heutigen Serviceanbieter? Was bedeutet das für digitale Plattformen, das dominante Geschäftsmodell im Web2.0? Was steckt hinter Disrupt the Disrupters? In einem Blog-Post haben Andrei Hagui und Julian Wright anschaulich Web2.0 und Web3 verglichen: Was unterscheidet eBay von OpenSea? OpenSea ist ein Marktplatz für Non-Fungible Tokens (NFTs) und nutzt die Ethereum Blockchain, Nutzer können dort NFTs erstellen und anbieten. Diese werden dann auf der Plattform gehandelt.



eBay vs. OpenSea - zentral vs. dezentral


Hagui und Wright gehen in ihrem Blog-Beitrag darauf ein, in welchen Aspekten sich die beiden Plattformen eBay und OpenSea unterscheiden. eBay ist damit ein Repräsentant des Web2 und OpenSea steht für eine dezentrale Plattform im Web3. Zusammengefasst zeigen Hagui und Wright, dass die Abwicklung der tatsächlichen Transaktion aufgrund der Blockchain-Technologie deutlich anders abläuft, dass sich aber das vorausgegangene Matchmaking und auch das Pricing der Plattform nicht grundsätzlich unterscheiden, sondern nur durch bewusste Design-Entscheidungen des Managements. Sie stellen deshalb in Frage, wie dezentral OpenSea tatsächlich ist.


Matchmaking und Transaktion


In der Matchmaking-Phase, bevor es zu einer Transaktion zwischen Käufer und Verkäufer kommt, verhalten sich beide Plattformen zwangsläufig sehr ähnlich. Die Unterschiede in dieser Phase ergeben sich aus Management-Entscheidungen oder aus Resourcenmangel (OpenSea ist ein vergleichsweise kleines Unternehmen), aber nicht aufgrund der Unterschiede zwischen Web2 und Web3.


Konkret geht es um folgende Fragen:

  1. Welche Käufer und Verkäufer dürfen auf der Plattform teilnehmen?

  2. Was dürfen Verkäufer verkaufen und wie wird auf der Plattform verkauft?

  3. Wie werden die Angebote auf der Plattform dargestellt?

  4. Wie können Verkäufer und Käufer auf der Plattform kommunizieren?


Es geht also um die Regeln, welche die Plattform aufstellen muss, um die Qualität sicherzustellen: Wer darf teilnehmen, was darf man auf der Plattform anbieten, verkaufen, wie darf man auf und mit der Plattform interagieren und auch, wie wird die Plattform designt? OpenSea hat sich gegen eine direkte Kommunikation zwischen Verkäufer und Käufer entschieden, das ist aber laut Hagui und Wright (HW), ebenfalls nicht in Web3 begründet, sondern ist eine Design-Entscheidung der Plattform, die auch jederzeit wieder angepasst werden kann.


Interessanter wird es beim Thema Transaktion: Hier zeigen Smart-Contracts bzw. die Blockchain-Technologie ihre Stärke und auch ihre Besonderheit. HW haben hier folgende Schritte identifiziert:


5. Wie wird die Transaktion durchgeführt? (Wann wird die Bezahlung freigegeben?

6. Wie werden Streitigkeiten gelöst?

7. Wie werden Verkäufer bewertet? (Ratings)


Bestimmte Aufgaben, die im Web2 ein wesentlicher Teil dessen sind, was die Plattform übernehmen muss, können im Web3 von Smart Contracts[1] übernommen werden. Dazu gehören die Freigabe Transaktionen, die Abwicklung der Bezahlung, das Zurückhalten von Zahlungen der Käufer, bis der Kauf abgewickelt ist und Ähnliches. Auch muss sich OpenSea nicht um Streitigkeiten bezüglich der angebotenen Services kümmern, da alles klar und unumstößlich im Smart Contract geregelt ist. Ratings sind dementsprechend weniger relevant als bei klassischen Plattformen, da genau das geliefert wird, was vereinbart wurde (bei OpenSea werden ausschließlich digitale Produkte handelt).


Bei der Plattform-Gebühr gibt es wiederum keinen grundlegenden Unterschied zwischen Web2 und Web3. Auch OpenSea nimmt eine Gebühr pro Transaktion, diese ist aber deutlich geringer als bei eBay. Während es bei eBay ein umfangreiches Pricing-Scheme nutzt und im Normalfall 12,5% des Transaktionswertes plus 30 Cent verlangt, beschränkt sich OpenSea auf 2,5 % des Transaktionswertes. Auch das ist wiederum eine Management-Entscheidung und von verschiedenen Aspekten wie Preisstrategien und Wettbewerbsintensität abhängig (siehe HW).


HW kommen zu dem Schluss, dass OpenSea nicht grundsätzlich dezentraler ist als eBay. OpenSea könnte jedoch weitaus dezentraler strukturiert werden, wenn zum Beispiel einige der Regeln, die derzeit in der Matchmaking-Phase zentral von OpenSea getroffen werden, an Nutzer abgegeben würde – etwa durch Abstimmungen.


Digitale Plattformen vs. Web3?


Dezentralisierung der Interaktionen kann eine massive Gefahr für Plattformen darstellen, die als zentraler Orchestrator und Marketmaker, alle Interaktionen managen, kuratieren und Daten daraus gewinnen. Eine der großen Stärken der digitalen Plattformen liegt ja gerade darin, die Daten über diese Interaktionen zu besitzen und damit ihr Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln.


Der Blogbeitrag von Hagui und Wright zeigt aber auch, dass das Web3 nicht zwangsläufig alle Bereiche der digitalen Plattform abdeckt. Gerade in der Matchmaking-Phase muss die Plattform weiterhin das Chicken-Egg-Problem lösen, muss weiterhin dafür sorgen, dass relevante Inhalte auf der Plattform angeboten werden und dass die Inhalte zu den richtigen Nutzern gelangen. Auch dezentrale Modelle hängen von (indirekten) Netzwerkeffekten ab. Interessant bleibt zu sehen, wie neue Geschäftsmodelle die Vorteile des Web3 auch in dieser Phase nutzen könne.


Leider zeigt das Beispiel OpenSea auch, dass es auch auf potenziell dezentralen Plattformen zu Fehlverhalten kommen kann. Wie Heise berichtet sollen Mitarbeiter NFTs erworben haben und diese dann prominent auf der Startseite platziert haben, um so den Wert in die Höhe zu treiben, um dann die NFTs zu einem höheren Preis weiterzuverkaufen. Ein klassischer Insiderhandel. Oder ein Fall, dass die Plattform ihre eigenen Services bevorzugt und andere benachteiligt – also ein Verhalten, das auch aktuell für wettbewerbspolitische Diskussionen sorgt.


Token-Economics: Nichts Neues, alles schon gesehen, weiter wie bisher?


Der Blogbeitrag von Hagui und Wright ist auch deshalb interessant, weil sich viele Fragen anschließen: Könnte OpenSea auch höhere Preise durchsetzen, obwohl ein Teil der Leistung im Vergleich zu eBay von Smart Contracts übernommen wird? Könnte auch eBay Entscheidungen über Regeln und Governance dezentralisieren, also demokratisieren?


Es ist immer leicht, neue Technologien und Ideen anhand von Kinderkrankheiten zu kritisieren. Viel interessanter ist es aber, die Möglichkeiten der Technologie zu entdecken und die möglichen Implikationen daraus abzuleiten. Am Ende geht es darum, komplexe Systeme zu entwerfen, zu entscheiden, wie sie gesteuert, reguliert und kontrolliert werden. Oder, um weiter in den Worten von Sermin Voshmgir zu sprechen: „Isn`t it all just economics? […] No, I don`t think so […] it is Token-Economics.”




[1] HW: Smart Contracts: certificates of ownership of digital assets are automatically authenticated, and transactions are automatically filled.



 
 
 

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