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  • Ralf Dewenter

Daten in der Plattformökonomie: Primäre Eigenschaften von Daten II


Im letzten Blog-Beitrag haben wir die Eigenschaften Heterogenität, Vergänglichkeit, Nichtrivalität und Ausschließbarkeit diskutiert. Dabei ist klargeworden, dass Daten zwar einen wichtigen Input darstellen, sich aber auch deutlich von anderen Rohstoffen unterscheiden. Auch wenn Daten meist nicht-rival sind, stellen sie in aller Regel kein öffentliches Gut dar – jedenfalls solange sie vom Konsum ausgeschlossen werden können oder faktisch ausgeschlossen werden. Dennoch kann es natürlich sinnvoll sein, Daten zu teilen. Dass dies aber nicht immer der Fall ist, zeigen auch Eigenschaften wie Nicht-Exklusivität, Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit, die wir heute diskutieren wollen.

Nicht-Exklusivität

Aufgrund der Nichtrivalität stehen bestimmte Daten nicht nur einer Plattform oder einem Unternehmen exklusiv, sondern oftmals mehreren gleichzeitig zur Verfügung und dies, obwohl sie grundsätzlich ausschließbar sind. Nicht-Exklusivität erfordert aber neben der Nichtrivalität auch die Verfügbarkeit von Daten und kann auf zwei Arten entstehen: 1. können die gleichen (möglicherweise identische) Daten von unterschiedlichen Plattformen (gleichzeitig) erhoben werden, wenn Nutzer alle diese Plattformen benutzen. So lässt sich z. B. der Standort eines Nutzers, das verwendete Betriebssystem oder die IP-Adresse gleichzeitig oder auch sequenziell von unterschiedlichsten Diensten oder Apps abrufen. Auch andere Daten lassen sich auf diese Weise erheben, je nachdem, welche Dienste und Inhalte ein Nutzer verwendet.


2. kann Nicht-Exklusivität aber auch dadurch entstehen, dass Daten erhoben werden, die eine starke Substitutionalität zu den eigentlich betrachteten Daten aufweisen. In diesem Fall können bestimmte Dienste, die auf diesen Daten basieren, dennoch angeboten werden, obwohl die eigentlichen Daten nicht zur Verfügung stehen:

  • Beispielsweise lässt sich zielgerichtete Werbung auf verschiedene Weise platzieren: So können bestimmte Informationen über den Standort eines Nutzers ebenso sinnvoll sein, wie Informationen über das bisherige Kaufverhalten.

  • Auch können Plattformen die Aufmerksamkeit für Werbung auf verschiedene Weisen erzeugen. So kann ein Anbieter versuchen, die gleichen Konsumenten dazu zu bewegen, deren Inhalte zu konsumieren wie dessen Konkurrenten und damit auch prinzipiell die gleichen Daten erheben. Dies ist umso einfacher, je mehr die Möglichkeit des Multihomings dazu führt, dass der gleichzeitige oder sequenzielle Konsum ähnlicher Inhalte vorgenommen wird.

  • Alternativ kann ein Anbieter aber auch ganz andere Rezipienten dazu bewegen, die Plattform zu nutzen, um damit Werbefläche an Werbekunden zu verkaufen. Wichtig ist dabei lediglich, dass die gleiche Zielgruppe erreicht werden kann und nicht, ob denn auch identische Nutzer erreicht werden. Auf welche Weise – mit welchen Inhalten oder Diensten also – die Aufmerksamkeit erregt wird, ist dabei zweitrangig.

Ist beides nicht möglich, können also weder identische Daten, noch Substitute erhoben werden, läge tatsächlich Exklusivität vor. Bei einer TAN, die für das Online-Banking genutzt wird, zum Beispiel, liegt Exklusivität (und Rivalität) vor, da aufgrund des Ausschlusses anderer Nutzer und der fehlenden Substitutionalität ein Zugriff auf ein Konto nur durch einen Nutzer möglich ist. Möglicherweise können Daten aber auch durch Patente oder andere Eigentumsrechte geschützt sein und damit dem Besitzer der Daten exklusiv zur Verfügung stehen. Daten müssen also auch verfügbar sein, damit Nicht-Exklusivität vorliegt.


Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit

Zumindest ein Teil der Daten ist durch eine gute Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit gekennzeichnet. Die Erschwinglichkeit bezieht sich dabei sowohl auf die Erhebung aber auch auf die Speicherung und Auswertung der Daten, die allesamt in den letzten Jahren deutlich günstiger geworden sind. Vor allem personenbezogene Daten lassen sich relativ leicht mit einem geeigneten Geschäftsmodell generieren. Internetplattformen greifen auf personenbezogene Daten regelmäßig über die Bereitstellung von Inhalten oder Diensten zu, die die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich ziehen. Insbesondere, wenn Multihoming möglich ist, können solche Daten in der Regel relativ einfach erhoben werden. Es kommt dabei wie bereits erwähnt nicht darauf an, bestimmte Personen zu erreichen – was mitunter schwierig sein könnte –, sondern eher darauf, eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen. Personenbezogene Daten stellen damit auch nicht unbedingt eine knappe Ressource dar und sind allgegenwärtig, kostengünstig und relativ einfach zu erheben.


Die Nutzer von Internetplattformen und Smartphones produzieren in einem großen Umfang Daten. Diese Daten lassen Rückschlüsse auf die Präferenzen der Nutzer zu, auf ihr Konsumverhalten und anderen Verhaltensweisen. Allerdings muss ebenso bedacht werden, dass die reine Menge an erhobenen Daten einen Vorteil für die Unternehmen darstellen kann, die diese Daten erheben. Was also möglicherweise eine Schwierigkeit darstellt, ist die reine Masse an personenbezogenen Daten, die durch die großen Nutzerzahlen bedingt erhoben werden können. Dies stellt aber primär kein Datenproblem, sondern ein Problem hoher Nutzerzahlen und Netzeffekte dar (später dazu mehr). Liegen vor allem hohe Sortierungsexternalitäten (sind also die Nutzer und damit auch die Daten sehr heterogen und lassen sich die einzelnen Gruppen nicht durch nur wenige Daten abbilden) vor, ist es ein Vorteil einen größeren Datensatz zur Verfügung zu haben, der z. B. verschiedenste Zielgruppen abbilden kann. Für Werbekunden ist es von Vorteil, eine Plattform zu nutzen, die alle möglichen Zielgruppen adressieren kann, insbesondere, da dadurch starke Transaktionskostenersparnisse realisiert werden können.


Daten können ebenso in der Kombination mit anderen Informationen einen Vorteil verschaffen. Werden einzelne Datensätze oder ganze Datenbanken zusammengeführt, die es in dieser Kombination bisher nicht gab, lassen sich daraus möglicherweise Informationen ableiten, die anderen nicht zur Verfügung stehen. Ein Beispiel für die Zusammenführung von personenbezogenen Daten, ist der Merger von Facebook und Whatsapp. Auf diese Weise konnten große Datenmengen zusammengeführt werden, die ansonsten wahrscheinlich nur mit großem Aufwand hätten zusammengestellt werden können. Es wurden damit aber nicht nur weitere Informationen über weitere Nutzer generiert, sondern ebenso wurde das bestehende Netzwerk (der Facebook-Nutzer) mit einem weiteren großen Netzwerk (der Whatsapp-Nutzer) ergänzt. Wenn man bedenkt, wie wichtig es für Plattformen ist, große Gruppen an Nutzern zu erreichen, lässt sich daraus ebenfalls ein deutlicher Vorteil ableiten. Auch hierbei wird wiederum klar, wie wichtig Daten aber vor allem, wie wichtig Nutzerzahlen und Netzeffekte sind.


Ebenso ist es möglich und auch wahrscheinlich, dass die Verfügbarkeit von Daten zumindest temporär eingeschränkt ist. So kann es sein, dass zunächst Produkte oder Dienste entwickelt werden müssen, die es erlauben, auf bestimmte Daten zuzugreifen. Möglicherweise muss auch erst die Infrastruktur aufgebaut werden, um diese Dienste und Produkte anbieten zu können. So kann es einige Zeit dauen, um den Marktzutritt umzusetzen und eine entsprechend große Nutzerbasis zu errichten. Der Wettbewerbsvorteil, der aus einer solchen Situation entstehen kann, kann dann entsprechend groß sein.


Generell gilt, dass sobald Daten durch bestimmte Rechte oder auch andere Institutionen geschützt sind, die Verfügbarkeit eingeschränkt oder auch ausgeschlossen sein kann. Liegen zum Beispiel Patente oder andere Eigentumsrechte vor, die zur Erhebung von Daten benötigt werden, kann eine solche Einschränkung vorliegen. Auch können technische Restriktionen existieren, die eine Datenerhebung erschweren oder verhindern.


Obwohl personenbezogene Daten durch das Datenschutzrecht geschützt sind, ist deren Erhebung wie bereits diskutiert relativ leicht. Anders sieht dies teilweise bei nicht-personenbezogenen Daten aus. Oftmals haben Unternehmen, die im Besitz von bestimmten Informationen sind, gar keinen Anreiz, diese anderen zur Verfügung zu stellen. Wenn die Datenerhebung zudem noch faktisch geschützt ist, besteht oftmals kaum die Möglichkeit, auf diese Daten zuzugreifen. So ergeben zum Beispiel Automobilhersteller riesige Datenmengen durch Sensoren, die in den Fahrzeugen verbaut sind, um Informationen über etwa das Fahrverhalten, die Bremsleistung, den Verbrauch oder ähnliches zu erhalten. Diese Informationen könnten aber ebenso den Zulieferern dienen, die Bremsen entwickeln oder Reifen herstellen, um ihre Produkte zu verbessern oder neue herzustellen. Faktisch lassen sich diese aber leicht von der Nutzung der Daten ausschließen. Sowohl die Verfügbarkeit als auch die Erschwinglichkeit sind dann deutlich eingeschränkt.


Grundsätzlich gilt also, dass die Eigenschaften der Daten unterschiedlich ausgeprägt sind. Der Grad der Ausprägung entscheidet darüber, wie einfach es ist bestimmte Daten zu erheben und ob sie einen Wettbewerbsvorteil darstellen oder nicht, ob z. B. ein Zugang zu den Daten sinnvoll wäre oder auch Maßnahmen wie Datenportabilität oder Interoperabilität eher zum Ziel führen.


Im nächsten Beitrag widmen wir uns den sekundären Eigenschaften und diskutieren, welche Rolle Economies of Scale, Economies of Scope, Lerneffekte und natürlich Netzeffekte spielen.


Literatur

Dewenter, R. & Bernhardt, L. (2022), III. Ökonomische Grundlagen, erscheint in: Louven, S., Künstner, K.M. & Otto, C. (Hrsg.): Rechtshandbuch KI und Plattform-Governance, Erich Schmidt Verlag, Berlin.


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